Fediverse: eine bessere Social-Media-Welt ist greifbar ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌
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WissenAmFreitag #69 – 28/04/2023
Zwei Hände halten einen Wecker vor einem gelben Hintergrund
 
Hallo,
ziemlich genau ein halbes Jahr ist es nun her, dass ein Multimilliardär Twitter übernommen hat. Selbst wenn Sie auf dieser Social-Media-Plattform nicht aktiv sind, dürfte Ihnen das darauf folgende Chaos, das sich bis heute fast täglich in ungeahnt absurde Höhen schraubt, nicht entgangen sein. Auf Details diesbezüglich möchte und kann ich an dieser Stelle nicht eingehen, es gibt aber informative Text- und Hör-Quellen dazu.
Ich finde das alles traurig, wenn auch nicht überraschend. Und zum Glück steht schon eine sehr schöne Alternative bereit, aber dazu gleich mehr.
 
Traurig aus durchaus auch persönlichen Gründen, weil Twitter sich über die letzten mehr als 10 Jahre zu meinem bevorzugten sozialen Netzwerk entwickelt hat. Es war eine meiner wichtigsten Informations-, Vernetzungs-, Einschätzungs- und Diskussionsquellen. Auch für die Wissenschaftskommunikation und damit unsere Arbeit im Kommunikationsteam war – und ist im Moment auch noch (!) – Twitter ein wichtiger Kanal. Im Moment haben wir Twitter noch nicht den Rücken gekehrt, beobachten die Situation aber mit abnehmendem Optimismus und zunehmender Sorge.
Der eigentlich wenig überraschende Aspekt daran ist die Tatsache, dass eine große Social-Media-Plattform eine derartige Entwicklung nehmen kann. Uns wurde in einer Art Worst-Case-Variante vorgeführt, wie problematisch die kommerzielle Struktur digitaler Plattformen ist, ganz besonders wenn sie in der Hand weniger, zu reicher Menschen ist. Digitale Öffentlichkeiten, in denen viele gesellschaftliche Diskurse stattfinden, sind nicht nur profitorientierten Interessen unterworfen. Die Motivation liegt nicht nur im monetären Bereich, sondern durchaus auch im ideologischen, wenn etwa willkürlich in Meinungsbildungsprozesse eingegriffen werden kann. Auf Twitter ist diese Entwicklung am Beispiel einer ganzen Reihe von Maßnahmen zu beobachten, die letztlich demokratiepolitisch bedenklich sind: Tausende Konten, die zuvor wegen Hassrede oder anderen Verstößen gesperrt worden waren, sind wieder online – um nur ein Beispiel zu nennen.
Aber es gibt dennoch gute Nachrichten. Denn das Chaos rund um Twitter hat die Scheinwerfer wieder stärker auf eine umso schönere Ecke (Ja, die gibt es!) im Internet scheinen lassen: auf das Fediverse, der Begriff ist ein Kofferwort aus federation und universe. Der aktuell bekannteste unter den Fediverse-Diensten ist Mastodon, besonders dieser Microblogging-Dienst ist es, der häufig auch als Twitter-Alternative bezeichnet wird. Das Fediverse umfasst aber viel mehr:
Imke Senst, Mike Kuketz, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
 
Das Fediverse ist ein Zusammenschluss quelloffener, dezentraler, nicht-kommerzieller und datenschutzfreundlicher Dienste – die niemandem und damit allen gehören. Es gibt für fast alle sozialen Netzwerke ein Pendant im Fediverse, neben Mastodon für Kurznachrichten zum Beispiel PeerTube für Videos oder PixelFed für Bilder. Jede und jeder kann in diesen Diensten einen Server anlegen, im Fediverse heißen diese Server Instanzen. Das Fediverse ist damit eine Open-Source-Infrastruktur, die Nutzer:innen der Instanzen Kommunikation auf Basis gleicher technischer Standards ermöglicht. Das mag vielleicht ein wenig ungewohnt klingen, ist aber nicht schwer nachzuvollziehen, dafür reicht ein kurzer Blick in die Suchmaschine des Vertrauens. Langer Rede kurzer Sinn: Wenn Sie sich schon mal eine Mailadresse eingerichtet haben, wird auch Mastodon kein Problem sein. Das Besondere daran ist, dass das Fediverse ein Non-Profit-Netzwerk ist und kein Geschäftsmodell verfolgt: Es gibt keine Werbung, keine Filteralgorithmen, kein Tracking, keine Vermarktung von Daten und transparente, gemeinschaftlich organisierte Formen der (Content-)Moderation.
Wir sind als Universität Innsbruck seit Herbst innerhalb des Fediverse bislang auf Mastodon aktiv. Aktuell auf der Instanz wisskomm.social, die dankenswerterweise vom Informationsdienst Wissenschaft IDW in Deutschland für Interessierte aus dem Hochschulbereich eingerichtet wurde. Parallel arbeiten wir daran – und so viel darf ich an dieser Stelle schon aus dem Nähkästchen plaudern – an der Etablierung einer eigenen Instanz der Universität Innsbruck. Das halten wir für einen wichtigen Schritt, einige Institutionen, wie etwa die Helmholtz-Gemeinschaft, sind diesen Weg schon gegangen. In meinem Umfeld habe ich in den letzten Wochen immer mehr Stimmen auch unter Kolleg:innen anderer Universitäten wahrgenommen, die sich fragen, ob ein Einsteigen ins Fediverse denn wirklich lohnt, ob das nicht wieder Hype ist, der sich legt, und ob es nur ein weiterer Kanal ist, den man mit ohnehin schon oft knappen personellen Ressourcen bespielen muss.
 
An der Stelle würde ich dafür plädieren, etwa Mastodon nicht als weiteres soziales Netzwerk zu verstehen, sondern als ein anderes. Das Fediverse bietet eine riesige Chance, das Internet zu einem besseren Ort zu machen. Gerade Universitäten oder andere Institutionen im Bildungsbereich könnten hier die wichtige Aufgabe übernehmen, Online-Infrastrukturen für Bürger:innen zur Verfügung zu stellen und ihnen alternative, aber gleichwertig funktionierende Plattformen der Partizipation im Internet bereitzustellen. Und das jenseits von kapitalistischem Profitstreben, denn um Datenmonetarisierung geht es nicht. Wir sehen an den Zahlen, dass sich das Wachstum im Fediverse etwas verlangsamt hat (nachdem vergangenen Herbst vielerorts geradezu von einem Twitter-Exodus in Richtung Mastodon die Rede war), aber das könnte ja vielleicht sogar noch viel mehr motivieren.
Das Fediverse ist das, was wir alle daraus machen. Es gibt noch so viel Gestaltungs- und Wachstumsmöglichkeiten und eine positive Entwicklung wird davon abhängen, ob eine kritische Nutzer:innen-Masse erreicht werden kann. Hochschulen könnten dazu einen großen Beitrag leiste, wie ich finde.
 
Viel besser hat das alles aber Prof. Leonhard Dobusch vom Institut für Organisation und Lernen in seinem Aufruf Hochschulen aller Länder ins Fediverse! formuliert. Dem habe ich nichts hinzuzufügen, außer vielleicht noch ein paar mehr Rufzeichen am Ende der Headline.
 
Schönes Wochenende und einen noch schöneren Tag der Arbeit am Montag,
Melanie Bartos
Kommunikationsteam der Universität Innsbruck
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