Helmholtz launcht neuen Mastodon-Server

Künstlerische darstellung eines Mamuts vor schneebedckter Landschaft - Montage mit einem Helmholtz-Logo auf dem Fell.
Helmholtz startet neue Mastodon-Instanz. Bildquelle: Dotted Yeti/Shutterstock (Montage)

Mit helmholtz.social startet die Helmholtz-Gemeinschaft heute eine Mastodon-Instanz für die institutionelle Wissenschaftskommunikation der Helmholtz-Gemeinschaft. Der dezentrale Social-Media-Dienst gilt als datensparsame und werbefreie Alternative zu Twitter. Mastodon ist nach einem urzeitlichen mammut-artigen Tier benannt. Das Besondere: Es wird nicht zentral von einer Firma betrieben, sondern funktioniert als dezentrale Kommunikationsinfrastruktur eher wie der Austausch einzelner eMail-Nutzer:innen über verteilte Mailserver – nur insbesondere auch öffentlich wie bei einer Twitter-Unterhaltung.

Was ist Mastodon?

Die bislang erfolgreichsten Social Media-Dienste wie z.B. Instagram, Youtube und Twitter sind zentral aufgestellt: Die Dienstbetreiber bestimmen darüber, welche Filteralgorithmen zum Einsatz kommen, welche Werbung den Nutzenden angezeigt und welche Inhalte laut Gemeinschaftsregeln erlaubt sind. Technisch dezentrale Infrastrukturen kennen wir von Handynetzen oder dem E-Mail-System: Hier können sich Nutzende unterschiedlicher Dienstanbieter (z.B. Vodafone/Telekom beim Mobilfunk bzw. E-Mail-User z.B. von @posteo.de und @helmholtz.de) miteinander nicht-öffentlich austauschen, da technische Standards wie das E-Mail-Protokoll dies ermöglichen.

Einen solch dezentralen Dienst gibt es mit Mastodon seit einigen Jahren auch für die öffentliche Social-Media-Kommunikation. Nach Elon Musks Kauf der Firma Twitter und seinem erratischen und besorgniserregenden Verhalten in der Rolle als Twitter CEO sowohl Nutzenden als auch Werbekunden gegenüber erfreut sich Mastodon seit Ende Oktober 2022 neuer Beliebtheit. In der Helmholtz-Kommunikation beobachten wir die Entwicklung bei Twitter genau. Aktuell sind wir weiterhin mit unterschiedlichen Twitteraccounts auf der Plattform aktiv, um die Stimme der Wissenschaft in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen, auch wenn der Ton dort rauer wird. Insofern gibt es noch keine Entscheidung, Helmholtz-Twitter-Accounts einzustellen, auch wenn wir mit Sorge beobachten, in welchem kommunikativen Umfeld wir uns dort bewegen – etwa wenn Twitter-Eigentümer Elon Musk vergangene Woche dazu aufrief, Noch-CDC-Chef Anthony Fauci in den USA strafrechtlich zu verfolgen.

Podcast-Quelle: Zeit für WissKomm

Mastodon für die Wissenschaftskommunikation

Gleichzeitig werden auch für uns Alternativen zu Twitter wichtiger: Aus Sicht von Nutzer:innen mag Mastodon mit seinen kurzen, öffentlichen Text-Beiträgen (ggfs. ergänzt um Bilder, Videos, Links etc.) wie ein Twitter-Clone wirken. Die technisch dezentrale Infrastruktur im Hintergrund, die nicht algorithmisch sondern chronologisch sortierte Timeline und das absichtlich fehlende Werbe-Geschäftsmodell führen jedoch zu gänzlich anderen Nutzungskontexten. Mastodon ist eine offene und freie Software, aber es gibt kein Geschäftsmodell und keine Werbeinfrastruktur. Das intendierte Fehlen eines Aufmerksamkeitsalgorithmuses soll emotionalisierende Inhalte und damit die Gefahr von Hassrede dämpfen. Die Tatsache, dass Nutzer:innen hier also nicht das Produkt sind, das vom Betreiber an die Werbeindustrie vermarktet wird, hat auch positive Folgen für den Datenschutz – die Nutzenden werden hier nicht getracked, ihre Daten nicht vermarktet.

Die dezentralen Mastodon-Server können z.B. von privaten Enthusiast:innen betrieben werden (Bsp. norden.social und literatur.social) oder von öffentlichen Institutionen (Bsp. social.bund.de vom Bundesdatenschutzbeauftragten oder von der Europäischen Kommission). Auf diesen so genannten Mastodon-Instanzen können sich dann Nutzer:innen (z.B. Privatpersonen, aber auch Wissenschaftler:innen oder Organisationen) Accounts für ihre öffentliche Kommunikation anlegen und z.B. auf thematischen oder regionalen Servern interaktionsgruppen-spezifisch kommunizieren. Über den Zusammenschluss (im Mastodon-Sprech: „die Föderation“) dieser Instanzen gelingt auch ein kommunikativer Austausch über diese dezentralen Inseln hinweg.

Als Alternative zu Twitter empfehle ich Mastodon als Medium der Social-Media-Wissenschaftskommunikation schon länger. Die Helmholtz-Gemeinschaft betreibt bereits seit 2017 einen Mastodon-Account, jedoch bislang noch keine eigene Instanz. Dies ändert sich mit dem heutigen Tag: Auf helmholtz.social können die Helmholtz-Forschungszentren institutionelle Mastodon-Accounts betreiben. Vergangene Woche hatte die Max-Planck-Gesellschaft bereits eine Mastodon-Instanz gelauncht, auch wenn der MPG-Hauptaccount noch auf einer anderen Instanz liegt.

Bislang betreibt außer Helmholtz und Max Planck noch keine andere Allianz-Organisation eine eigene Mastodon-Instanz, ebensowenig wie große internationale Wissenschaftsmarken wie die ETH oder die NASA. Von Wissenschaftsinstitutionen sind mir bislang offizielle Angebote vom MIT und dem Informationsdienst Wissenschaft (idw) bekannt: ein Server für seine Mitgliedsorganisationen und eine offene Instanz für Menschen aus der Wissenschaft. In der deutschsprachigen Wissenschaftskommunikations-Community gibt es bislang hauptsächlich ehrenamtlichen Initiativen z.B. aus der Open-Science-Community.

Video: TIB Hannover

Warum eine eigene Instanz?

Die dezentrale Social-Media-Kommunikation kann als Alternative zu geschäftsmodellgetriebenen und werbefinanzierten zentralen Apps funktionieren, wenn der Betrieb und die Moderation solcher Dienste nicht alleine von ehrenamtlich Engagierten in ihrer Freizeit durchgeführt wird. So löblich ein solches Engagement ist, so sehe ich persönlich es auch als Aufgabe zivilgesellschaftlicher Organisationen auf den unterschiedlichsten Ebenen an, sich an der Bereitstellung der digitalen Kommunikationsinfrastruktur zu beteiligen, um einen demokratisch-gesellschaftlichen Diskurs z.B. auch in Social Media zu ermöglichen. Neben Wissenschaftsorganisationen wie Universitäten könnten insofern auch andere gesellschaftliche Gruppen, den Betrieb einer Mastodon-Instanz erwägen: von Kirchen über Verbände, von Gewerkschaften bis Parteien, vom ADAC bis zu Greenpeace, von privaten Vereinen über öffentlich-rechtliche und private Medienhäuser bis hin zum FC Bayern München.

In diesem Sinne bieten wir als Helmholtz-Gemeinschaft nun zunächst für unsere Mitglieder einen solchen Kommunikationsknotenpunkt an. Die Helmholtz-Forschungszentren können somit auf Mastodon kommunizieren und sich auf den gesicherten Betrieb des dafür nötigen Servers verlassen. Zudem bietet ein eigener Server, die Möglichkeit die publizierten Helmholtz-Inhalte gesammelt darzustellen. Dazu gibt es die so genannte lokale Timeline, die Übersicht aller Accounts und gesammelt alle Inhalte von helmholtz.social.

An dieser Stelle werde ich in den kommenden Tagen die neuen Mastodon-Accounts auf helmholtz.social verlinken: Helmholtz-Gemeinschaft, Helmholtz Association, die Helmholtz-Klimainitiative, das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, das Helmholtz-OpenScience-Büro, das GEMOAR, DESY, …. (Stand: 22.12.2022).

Podcast-Quelle: Bredow-Cast

Für wen ist helmholtz.social gedacht?

Wichtig ist dabei, dass der Dienst helmholtz.social nur der institutionellen Wissenschaftskommunikation der Helmholtz-Gemeinschaft, ihrer Mitgliedszentren und ausgewählter Helmholtz-Initiativen dient. Für die Inhalte der Veröffentlichungen auf ihren Mastodon-Accounts dieser Instanz sind die Helmholtz-Zentren bzw. die einzelnen Accountbetreibenden verantwortlich. Eine Account-Registrierung einzelner Mitarbeiter:innen aus Helmholtz-Forschungszentren ist mangels Moderationskapazitäten rechtlich nicht möglich.

Dies ist aus meiner Sicht ein Wermutstropfen bei diesem heutigen Launch. Würden wir eine öffentliche Kommunikationsinfrastruktur für die mehr als 43.000 Mitarbeiter:innen der Helmholtz-Gemeinschaft anbieten wollen, auf der sie nicht nur dienstlich, sondern ggfs. sogar privat Inhalte veröffentlichen können, so würde dies notwendigerweise das Vorhalten erheblicher Moderationsressourcen verlangen. In diesem Fall hätten wir gerne auch die Kolleg:innen von HIFIS eingebunden. Ebenso müssten wir uns als Plattformanbieter ggfs. auf juristische Vorgänge wie Abmahnungen von Dritten wegen möglicher Rechtsverletzungen einstellen. Dies ist nicht als Misstrauen gegenüber einzelnen oder gar allen möglichen Nutzer:innen gemeint, sondern es stellte sich im Zuge der juristischen Vorbereitungen eines solchen Projekts als notwendiger Bedarf eines solch offenen Plattformkonzepts heraus. Ich bin mit der Auswirkung dieser Abwägung auf Helmholtz-Mitarbeiter:innen selbst nicht wirklich zufrieden. Gleichwohl bleibt uns angesichts der gegebenen Ressourcen aktuell keine Wahl, als den Nutzungskreis auf institutionelle Accounts zu beschränken.

In diesem Kontext möchte ich mich noch herzlichen bei meinem Kollegen Björn Petersen, unserem Justiziar und Datenschutzbeauftragten, für die angenehme und schnelle Zusammenarbeit bedanken! Björn hat die rechtlichen Aspekte des Projekts durch bislang unerforschtes juristisches Neuland navigiert. Danke auch an Karl Urban für die Empfehlung unseres Mastodon-Hosting-Dienstleisters sowie an meine Kollegen aus unserer IT und unseren IT-Security-Beauftragten!

Wenn Forschende, egal aus welcher Organisation, aktuell einen Mastodon-Server für ihre persönliche Wissenschaftskommunikation suchen, so würde ich im deutschsprachigen Raum aktuell wisskomm.social vom idw empfehlen – im internationalen Raum fediscience.org. (Update 09.01.2023: Die GWDG hat nun auch academiccloud.social gestartet.) Darüber hinaus gibt es auch noch viele weitere Instanzen aus der Wissenschaftscommunity und auch Folge-Empfehlungen zu Forschenden auf Mastodon.

Podcast-Quelle: Chaosradio

Big picture: The Fediverse and beyond

Als wäre die Erklärung, was Mastodon strukturell von Twitter unterscheidet, nicht schon komplex genug, so will ich in den Metaebenen noch eine Stufe weiter klettern: Mastodon ist nicht der einzige dezentrale Social Media-Dienst. Es gibt mit Pixelfed auch eine Instagram-Alternative, mit Peertube eine Youtube-Alternative und zahlreiche weitere Dienste. Diese zusammen nennen sich das Fediverse – als quasi ein föderiertes Universum dezentraler, digital-interaktiver Kommunikationsangebote. Auch dort ist es so, dass es nicht den einen zentralen Pixelfed-Server gibt, sondern dass Nutzer:innen sich entscheiden können, bei welchem Instanzanbieter sie sich einen Pixelfed-Account anlegen. Das Besondere am Fediverse ist nun, dass Endgeräte-Apps es ermöglichen, die verschiedenen Fediverse-Dienste wie Mastodon, Pixelfed, Peertube et al. gemeinsam in einer Smartdevice-App zu abonnieren und mit ihnen dienstspezifisch zu interagieren. Allerdings habe ich heute keinen Launch eines Helmholtz-Pixelfed-Servers oder anderer Fediverse-Dienste anzukündigen. Aber mal sehen, wie sich das Fediverse weiter entwickelt. Zu diesem Thema hatte ich ja bereits 2018 mal unter dem Schlagwort Open Social Infrastructure versucht, einen Impuls in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen, welche gesellschaftliche Bedeutung wir solchen digitalen Diskursinfrastrukturen beimessen könnten.

Podcast-Quelle: Sascha Lobo-Podcast

Further reading/listening

Hier noch eine Aufzählung weiterer Lese- und Hörtipps zum Thema:

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