Wer ist Eleonore v. Vintler?
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WissenAmFreitag #109 – 25/10/2024 | | | | | |
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Der Grabstein von Eleonore v. Vintler auf dem Innsbrucker Westfriedhof. (Foto: Universität Innsbruck)
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Hallo,
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an Allerheiligen bzw. Allerseelen werden Gräber gesegnet und Menschen gedenken der Toten. Zwar liegt keiner meiner verstorbenen Verwandten auf einem Innsbrucker Friedhof, dennoch führte mich der Weg - schon eine Woche vor dem ersten November - zu einem ganz bestimmten Grab am Westfriedhof. Es geht um die Erinnerung an eine Frau, die ich gar nicht kannte...
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„Hast du da das Zauberbuch von Harry Potter?“ fragt mich jemand scherzhaft, als ich mit einem großen, alten Buch mit abgegriffenem Ledereinband und goldenen Seiten den Gang zum Büro entlang gehe. Naja, nicht ganz. Es ist kein Zauberbuch, sondern ein mehr als 100 Jahre altes Fotoalbum. Darin sind 42 Schwarz-weiß- bzw. Sepiaporträts von - ausschließlich - Männern. Es ist aber kein Mitgliederverzeichnis eines Gentlemen‘s Club, sondern ein Geschenk an einen längst verblichenen Universitätsangehörigen: die Herrschaften waren allesamt Professoren der Universität Innsbruck und in der Zeit der Jahrhundertwende seine Kollegen. An sie und die Zeit von 1874 bis 1902 sollte das Album erinnern – und tut es heute noch. | | | |
Auch wenn eine reine Männerrunde wie diese aus heutiger Sicht nicht sehr zauberhaft erscheint, hat das Erinnerungsbuch dennoch ein bisschen etwas magisches an sich, so wie das alte Dinge ja oft haben. Vielleicht liegt es aber auch nur am Goldglanz der Verzierungen. Für uns in der Öffentlichkeitsarbeit ist es jedenfalls ein Schatz, den uns Peter Goller vom Universitätsarchiv zur Verfügung gestellt hat – vielen Dank dafür!
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Einer der Herren im Lederbuch beschäftigt uns im Büro für Öffentlichkeitsarbeit (BfÖ) schon eine Weile: der Astronom Egon von Oppolzer. Auffälliges Detail: im ganzen Album ist er der einzige ganz ohne Bart. Völlig nebensächlich oder (überinterpretierter) Beleg für einen Gesellschaftsnorm-Rebellen und Bartlosmode-Pionier seiner Zeit? Das Foto ist jedenfalls aus dem Jahre 1899. Und da gab es verschiedenste Pioniere und Pionierinnen – und zu einer kommen wir gleich noch. Als das Foto entstand, war Oppolzer 30 Jahre alt. Nur wenige Jahre später hat er es nicht nur in den Professorenstand der Uni Innsbruck geschafft, sondern auch gleich seine eigene Sternwarte gebaut. 1904 ging sie in Betrieb, ist heute noch erhalten und ein wertvolles Denkmal der österreichischen Wissenschaftsgeschichte. Dank des Engagements von Universitätsangehörigen, wie Herbert Hartl, Emmerich Kneringer oder Friedrich Vötter, ist sie für interessierte Menschen durch Führungen oder Kurse zugänglich. Derzeit entsteht in Zusammenarbeit mit einer Innsbrucker Firma und unter der Projektleitung meiner Kollegin Isolde Erricher-König eine virtuelle 3D-Kopie.
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So können alle die historische Universitätssternwarte in Hötting jederzeit digital besuchen. Zu sehen gibt es Bereiche des Gebäudes und etliche historische Geräte, die in Textform oder durch Astronomin Konstanze Zwintz in Videoform erklärt werden – hat Spaß gemacht, diese Clips als Videozuständiger im BfÖ umzusetzen. Wir möchten Sie als Newsletter-Leser:innen an dieser Stelle gerne schon auf die Vorabversion hinweisen, die Sie über den Link ganz unten abrufen können. | | | |
Schöne Sache - jetzt gehen wir aber noch einen Schritt weiter und leisten damit auch irgendwie Pionierarbeit. Seit einigen Monaten ist meine Kollegin Deborah Darnhofer als Mitarbeiterin der Uni Innsbruck unter anderem dafür zuständig, die freie online-Enzyklopädie Wikipedia zu unterstützen und Inhalte und Wissen unserer Alma Mater dort neu einzupflegen bzw. bestehende Lexikon-Einträge zu ergänzen. Third Mission-mäßiger (Wissens-)transfer. Behandelt werden auch die Einträge von Egon von Oppolzer, der historischen Sternwarte Hötting und der verschiedenen historischen astronomischen Geräte in ihr. Und so sind wir auch zum alten Lederbuch mit den 42 Porträts gekommen, denn darin ist eines der wenigen Fotos von Egon von Oppolzer.
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Der Upload auf Wikipedia bzw. Wikimedia Commons ist mit strengen Urheberrechtsschutzregeln verbunden bzw. dürfen nur freie Inhalte raufgeladen werden. Für unsere alten Fotos gilt: die Fotograf:innen müssen erwiesenermaßen 70 Jahre tot sein. Dann erst erlischt der Urheberschutz. Lässt sich kein Urheber ermitteln, muss das Werk mindestens 100 Jahre alt sein.
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Im Falle des Herrn Oppolzer war es recht einfach: der Fotograf, ein gewisser Herr Eckert, ist 1905 gestorben – somit können wir das Foto bald neu auf Commons stellen und für die Allgemeinheit verfügbar und nutzbar machen. Das möchten wir auch mit den Porträts der anderen 41 historischen Persönlichkeiten des uibk-Lederbuchs tun. Die Recherche war allerdings in einigen Fällen etwas anspruchsvoller, insgesamt waren 10 verschiedene Fotograf:innen aus Innsbruck, München, Wien und Prag beteiligt. | | | |
Und so kommen wir nun zurück zum Anfang dieser Geschichte und zum Innsbrucker Westfriedhof. Denn dort liegt Eleonore v. Vintler begraben. Gestorben ist sie 1922. In historischen Adressbüchern der Stadt Innsbruck aus der Zeit der Jahrhundertwende ist sie als Professorenwitwe zu finden und – neben 10 Männern - auch unter den „Photographen“ im Abschnitt Handel- und Gewerbetreibende. Danke an dieser Stelle an Stadtarchiv (historische Adressbücher) und Stadt Innsbruck (online-Friedhofskarte) für die digitalen Plattformen, die wirklich eine großartige Hilfe sind!
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Eleonore v. Vintler machte damals zwei der 42 Professorenporträts. Dass sie als Frau im Innsbruck der Jahrhundertwende als selbstständige Fotografin arbeitete, ist ein spannendes Detail. Und ein (weiterer) Beleg dafür, dass sich die Zeiten in den ersten 19hunderter-Jahren langsam zu wandeln begonnen haben und Pionierinnen wie sie hervorbrachten. In der hohen Bildung hat der Wandel allerdings noch etwas auf sich warten lassen und Universitätsprofessor war in Innsbruck noch lange eine reine Männerdomäne: erst im Jahre 1959 wurde Erika Cremer, in ihrer Zeit als studierte Chemikerin ebenfalls eine Pionierin, zur ordentlichen Universitätsprofessorin für physikalische Chemie bestellt.
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Wir gedenken heute schon Egon von Oppolzer, der viel zu jung 1907 (an einer Blutvergiftung) verstarb, Eleonore Vintler, die 1922 aus dem Leben ging, Erika Cremer, die 1996 verschied und natürlich auch den anderen Professoren und Fotograf:innen, denen wir durch unsere Arbeit mit dem Album begegnet sind und die schon lange tot sind.
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Egal ob Halloweenparty, Friedhofsbesuch oder einfach nur freier Tag: Ihnen einen schönen Start in den November!
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Udo Haefeker,
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Kommunikationsteam der Universität Innsbruck | | | |
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ANSEHEN: Die historische Universitätssternwarte Hötting in 3D | | | |
Als Leser:innen unseres Newsletters #WissenAmFreitag möchten wir Sie gerne schon auf die Vorabversion der historischen Universitätssternwarte in 3D hinweisen. Zu sehen gibt es Bereiche des Gebäudes und etliche historische Geräte, die in Textform oder durch die Astronomin Konstanze Zwintz in Videoform erklärt werden. Hier geht es zur 360° Multimedia-Tour. | | | |
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