Die Überkrise ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌
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WissenAmFreitag #97 – 26/04/2024
Foto: Vian, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons  
 
Liebe Leserinnen und Leser, 
 
würden sich alle Wirbeltiere dieser Erde auf eine Waage stellen, sähe das Verhältnis so aus: Etwa ein Drittel des Gewichts umfassen Menschen, zwei Drittel sind Nutztiere – und vier Prozent machen Wildtiere aus. Und wenn wir schon bei Zahlen sind, dann lege ich gleich noch nach: In den letzten 30 Jahren ist die Biomasse aller Insekten weltweit massiv je nach Studie zwischen 50 und 70 Prozent zurückgegangen. Das sind keine neuen Zahlen, und möglicherweise haben Sie von den dazugehörigen Studien auch schon gehört. Nun ist mir klar, dass es kaum möglich ist, sich darunter etwas Konkretes vorzustellen. Was diese Zahlen aber meiner Meinung schon können, ist ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie stark die Verluste der biologischen Vielfalt inzwischen fortgeschritten sind. 
 
Zumindest ging es mir einmal mehr so, als mir der Ökologe Johannes Rüdisser vor Kurzem davon erzählt hat. In unserem Podcast „Zeit für Wissenschaft“ habe ich mich eine Stunde mit dem Experten für Biodiversität unterhalten und neben einem Eindruck für die Komplexität der globalen Vielfalt vor allem eines mitgenommen: Die Biodiversitätskrise kann durchaus als eine „Überkrise“ bezeichnet werden, denn der Klimawandel ist eine jener Entwicklungen, die auf die Biosphäre einwirkt. Der Mensch hat hier gleich auf mehreren Ebenen einen negativen Einfluss auf die Biodiversität und damit auf die eigenen Lebensgrundlagen. Das größte Problem diesbezüglich ist nach wie vor die massive Landnutzung, die Organismen den Lebensraum nimmt und damit Ökosysteme potenziell aus dem Gleichgewicht bringt – auch hier steuern wir auf Kippunkte zu. Die Erderwärmung wird sich bis zur Mitte des Jahrhunderts zu einem der Hauptfaktoren für Einbußen in der biologischen Vielfalt ausweiten, wie eine gestern Abend veröffentlichte Studie in Science zeigt, an der auch die Biodiversitätsforscherin Lauren Talluto vom Institut für Ökologie beteiligt war. Ebenfalls diese Woche haben wir von einer weiteren Studie mit Tiroler Fokus berichtet, die wieder unterstreicht, dass hochalpine Ökosysteme die Folgen der Klimakrise besonders schwer abfedern können. Die Biodiversitäts- und Klimakrise müssen also zusammen gedacht werden. Es geht dabei nicht um einen Wettbewerb der Krisen, sondern um ein möglichst umfassendes Bild der Tatsachen.
Vielleicht denken Sie sich jetzt (sofern ich Sie nicht schon bei den alarmierenden Zahlen zu Beginn des Newsletters verloren habe): Bitte nicht schon wieder nur schlechte Nachrichten. Das kann ich verstehen, denn ehrlich gesagt, geht es mir auch immer wieder so. Als Kommunikatorin mit inhaltlichem Schwerpunkt auf Klima und Biodiversität sind die „guten Nachrichten“ aber leider rar gesät und ich sehe es auch als wichtige Aufgabe, über die Dramatik der Situation aufzuklären, also zu sagen, was ist. Dennoch: Wenn Sie sich allein die in diesem Text genannten Beiträge anhören oder lesen, dann werden Sie feststellen, dass die beteiligten Wissenschaftler:innen alle betonen: Es ist noch nicht zu spät, wir haben noch Handlungsoptionen. Auch wenn die Nachrichten nicht schön sind, unterstreichen sie aber doch quasi täglich mehr, wie dringend erforderlich konkretes Gegensteuern ist, und zwar so rasch und vehement wie möglich. Die (politischen) Antworten sind nach wie vor zu zögerlich, Georg Kaser sprach kürzlich gegenüber der APA von einem drohenden Kontrollverlust angesichts des auch in dieser Woche veröffentlichten Berichts des EU-Klimawandeldienstes Copernicus und der Weltwetterorganisation WMO zu den Klimagefahren in Europa.
Wie ich an dieser Stelle schon erwähnt habe, widmen wir uns seit mehreren Monaten in unserer Wissenschaftskommunikation noch intensiver der Klima- und Biodiversitätskrise. Mit dem Projekt PEAK haben wir einen neuen Kommunikationsschwerpunkt etabliert, der stetig wächst und sich zum Ziel gesetzt hat, die Forschung der Wissenschaftler:innen an der Uni Innsbruck noch sichtbarer und zugänglicher zu machen. Gerade mit einem Blick auf die Sozial- und Geisteswissenschaften umfasst das auch Forschung dazu, welche Handlungsoptionen wir als Gesellschaft haben und wie Wege in die notwendige sozial-ökologische Transformation gelingen können. 
 
Die guten Nachrichten werden noch kommen, davon bin ich überzeugt.
 
Schönes Wochenende,  
Melanie Bartos 
Kommunikationsteam der Universität Innsbruck
NUTZEN: Offene Plattformen
Wir setzen im Kommunikationsteam der Uni Innsbruck verstärkt auf offene Plattformen und bauen aktuell unsere Aktivitäten in der Wikipedia und mit Mastodon im Fediverse aus. Warum wir das machen, haben wir in dem Positionspapier Open Science Communication festgehalten. Einen großen Schritt in diese Richtung haben wir nun mit der Öffnung von Mastodon für alle Uni-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesetzt: Die Mastodon-Instanz auf hauseigenen Servern wurde an das Uni-Anmeldesystem gekoppelt und steht allen mehr als 5000 Mitarbeiter:innen zur Nutzung offen.
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