Übersetzen in Zeiten von KI
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WissenAmFreitag #113 – 29/11/2024 | | | | | |
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Foto: Universität Innsbruck
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Liebe Leser:innen,
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wann haben Sie das letzte Mal DeepL, ChatGPT, Google oder eines der Online-Wörterbücher genutzt, um ein Wort, einen Satz oder ein ganzes Dokument zu übersetzen? Hat sicherlich ganz gut funktioniert – ...oder?
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Das Übersetzen hat doch irgendwie in den vergangenen Jahren – naja, wie soll man sagen – an beruflichem Glanz verloren. Wer braucht schon Übersetzer:innen, wenn doch eh alles die elektronischen Tools und KI machen können. Diese Meinung ist ja durchaus verbreitet. Aber: wie so oft im Leben, muss man es eben einfach nur besser wissen. Dann versteht man, warum es eben doch nicht so toll ist, alles Computerprogrammen zu überlassen.
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Ich arbeite derzeit an einem längeren Video-Beitrag zum Thema Übersetzen. Durch spannende Recherche und lehrreiche Interviews mit Mitarbeiter:innen des Instituts für Translationswissenschaft durfte ich viele interessante Facetten des Fachgebiets kennenlernen. Ich muss etwas ausholen, um Sie teilhaben zu lassen. Soviel vorweg: Translationese ist keine Krankheit, Priming hat nichts mit Online-Bestellungen zu tun und: kein lecker, kein prima: in Österreich müssen Schulbücher in österreichischem Deutsch geschrieben sein.
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Denkt man an das professionelle Übersetzen, dann kommt einem natürlich gleich das Dolmetschen in den Sinn. Und auch das Übersetzen von Hollywood-Blockbustern oder internationalen Bestsellern. Hier einige Hürden und Herausforderungen des Metiers: | | | |
⦾ Dolmetschen
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Wussten Sie, dass im EU-Parlament 24 Amtssprachen gesprochen werden? Das ergibt 552 mögliche Sprachkombinationen – was für ein Übersetzungsaufwand! Neben 270 festangestellten Dolmetscher:innen hat die Generaldirektion Übersetzen noch 1500 externe in Reserve. Bianca Prandi ist hier an der Uni Innsbruck auf den Bereich des Dolmetschens spezialisiert. KI-Tools kommen da natürlich zum Einsatz, allerdings eher zur Vorbereitung und Unterstützung, wie sie erklärt. Spracherkennung kann zum Beispiel das Gesagte erfassen und KI den Dolmetscher:innen nützliche Zusatzinformationen liefern. Aber alles eigenständig übersetzen? Menschen haben Fähigkeiten, die Computerprogramme noch nicht so bald erlernen können: Fingerspitzengefühl, Empathie, Intuition und echtes Sprachverständnis. In internationalen Diskussionen oder Streitgesprächen – man denke an die UNO – sollten Übersetzungsprobleme nicht dazu beitragen, die Situation eskalieren zu lassen. Würde KI Doppeldeutigkeiten oder missverständliche Wortwahl richtig einschätzen? Und was ist mit Sicherheit und Datenschutz, wenn cloud-basierte Systeme großer Konzerne eingesetzt werden? | | | |
⦾ Literatur
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Großartige Autor:innen schreiben phantasievolle Geschichten, die die Menschen in besondere Welten mitnehmen. Sprachliche Feinheiten, Wortwitz, kulturelle Anspielungen oder kreative Namen machen guten Lesestoff aus. Das darf bei der Übersetzung nicht verloren gehen, meint Katharina Walter, Spezialistin für irische Literatur, literarisches Übersetzen und Übersetzen mit KI. Die Gefahr besteht aber und in der Translationswissenschaft wird daran auch geforscht, hier gibt es (englische) Begriffe wie Translationese, Posteditese und Priming. Kurz erklärt bedeuten sie: KI und elektronische Übersetzung können zu einer sprachlichen Vereinfachung führen und die Übersetzer:innen stilistisch vorbelasten. Dass die Tools es manchmal nicht schaffen, den verborgenen Sinn zu erkennen und mitunter ohne Tiefgang übersetzen, habe ich im Rahmen der Recherche hierzu auch gesehen. Ein Beispiel: der Maestro Ciliegia aus den italienischen Pinocchio-Erzählungen wird von der „Elektronik“ ins Deutsche mal mit (korrekt) Meister Kirsche, mal mit Meister Ciliegia und (in der deutschen Übersetzung!) mal mit Master Cherry übersetzt. | | | |
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⦾ Österreichisches Deutsch
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Deutsche Sprache ist nicht immer gleich deutsche Sprache, es gibt Varietäten und hier in Österreich hat deutsche Sprache einige Eigenheiten. Da gibt es Klassiker wie das Tomate-Paradeiser-Duo oder die Frittaten-Pfannkuchen-Suppe. Wann haben Sie eigentlich zuletzt ins „Noan-Kastl gschaut“? Oder schreibt man „Norren-Koschtl“? Kommt wohl drauf an, wo man lebt. Was definitiv nicht geht – und das habe ich kürzlich in einem Roman eines österreichischen Autors gefunden – ist, den Austriazismus in eine Art teutonischen Hilfsausdruck zu transferieren. „Er blickte ins Narrenkästchen.“ Klar, das Buch soll natürlich am deutschen Markt reüssieren – aber ob diese Art der Übersetzung hilft, in Berlin zu verstehen, dass die betreffende Person Löcher in die Luft starrte? Martina Mayer hätte das vermutlich anders gelöst. Sie ist – neben Französisch – auf das intralinguale Übersetzen spezialisiert und hat beruflich viel mit der Übersetzung bundesdeutscher (Schul-)Bücher für Österreich zu tun, denn hierzulande müssen Kinder in österreichischem Deutsch unterrichtet werden. Da haben „prima“ und „lecker“ eigentlich nichts verloren. ChatGPT kann Regionalität, aber wie zuverlässig? | | | |
⦾ Film und Fernsehen
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In den Socials verkraften wir schlecht übersetzte Untertitel bei Kurzvideos ganz gut, tragen sie doch fallweise zur Unterhaltung zusätzlich bei. In professionellen Fernseh- und Filmproduktionen will man aber keine Fehler und sprachlichen Kauderwelsch ertragen müssen. Das gilt für das Gesprochene des Synchronsprechers genauso wie bei Audiodeskriptionen für seheingeschränkte bzw. blinde Personen. Marco Agnetta ist –neben romanischen Sprachen – auf das audiovisuelle Übersetzen spezialisiert. KI punktet im Produktionsbereich vor allem mit Spracherkennung und dem schnellen Vorübersetzen großer Textmengen, auch die automatischen Untertitel in der gleichen Sprache funktionieren meist ganz gut. Es braucht aber auch hier den Menschen, wenn es um Übersetzung sprachlicher Feinheiten oder auch Fehlerfreiheit geht. | | | |
Die Beispiele zeigen: Es gibt hier einiges zu beachten. Alle vier Translationswissenschaftler:innen sind sich einig: elektronische Tools und KI ja, aber mit menschlicher Kontrolle bzw. Überarbeitung.
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Ich freue mich, in den kommenden Wochen tiefer in das Thema einzutauchen und Ihnen, liebe Leser:innen, dann im neuen Jahr das Thema im Video-Doku-Format näher bringen zu dürfen. | | | |
Liebe Grüße aus der Videoredaktion der Uni-Öffentlichkeitsarbeit,
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Udo Haefeker,
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Kommunikationsteam der Universität Innsbruck | | | |
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VERANSTALTUNGEN
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APPLAUDIEREN: Verleihung des:GenderFemPreises 2024: Am Mittwoch, 11. Dezember 2024, um 18:00 Uhr wird der GenderFemPreis der Universität Innsbruck für herausragende Qualifikationsarbeiten in den Bereichen Gender Studies, kritische Frauen- und Geschlechterforschung verliehen. Das Rektorat der Universität Innsbruck wird die Preisträger:innen in der Aula der Universität feierelich auszeichnen.
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LERNEN. Campusluft schnuppern am Donnerstag, 12. Dezember 2024, um 15:00. Im Rahmen einer öffentlichen Führung erhalten Interessierte spannende Einblicke in den Campus Innrain: Von den historischen Anfängen bis hin zu aktuellen Studienmöglichkeiten bietet die Führung eine breite Palette an Informationen. Die Führung lädt dazu ein, die Vielfalt der größten Hochschule Westösterreichs kennenzulernen.
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